
Loopzones von Suzan Noesen
Suzan Noesen (1985) erforscht, wie die Beziehung des Menschen zur Natur mit seinen sozialen Beziehungen zusammenhängt. Wie nehmen wir unsere Realität wahr – sowohl im Inneren als auch in der äußeren Welt – und auf welche Weise gestalten wir sie? Hierzu entwickelt die niederländisch-luxemburgische Künstlerin und Filmemacherin neue Arbeiten für die Stadtgalerie.
Kurzbio
Suzan Noesen arbeitet zwischen Montréal (CA) und Simmern (LU). Sie studierte Bildende Kunst an der Königlichen Akademie der Künste in Den Haag (NL), an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig (DE) und absolvierte eine Ausbildung in Physical Theatre an der Theaterschool Amsterdam (NL). Sie begann parallel in den Bereichen Bildende Kunst und Film zu arbeiten. Im Jahr 2019 wurde ihr erster Kurzfilm „Livre d'heures“ veröffentlicht. Suzan Noesen war Preisträgerin der Bourse Francis André im Jahr 2018 und steht auf der Shortlist für den LEAP-Preis im Jahr 2020. Im Jahr 2022 war sie „Artist in Residence“ an der Fonderie Darling, Montréal (CA). Als künstlerische Forscherin im Bereich Filmkunst an der Mel Hoppenheim School of Cinema in Montréal (CA) entwickelt Suzan Noesen ihre taktile Bildsprache mit einem kinematografischen Ansatz weiter.
Zur Ausstellung
Sie interessiert sich vor allem für die Vieldeutigkeit von Rollen und Identitäten – sei es bei Personen, Objekten oder Situationen. In LOOPZONES erforschte Suzan Noesen komplexe Zusammenhänge mit vielfältigen Techniken, Metaphern und Materialen. Sie schaffte mit ihrer Arbeit einen Raum der Erfahrung, ein Wechselspiel zwischen verschiedenen Ebenen des Erlebens.
Suzan Noesen öffnet uns eine Welt, in der unsichtbare, zwischenmenschliche Verbindungen greifbar scheinen. Durch Szenerien oder ein bestimmtes Setting spielt sie mit emotionaler Wirkung und Empfindungen. Ihr geht es aber auch darum, wie Menschen bestimmte Szenerien und Settings außerhalb von Ausstellungsräumen gestalten, zum Beispiel botanische Gärten. Menschen konstruieren in botanischen Gärten die Illusion von Natur und Natürlichkeit. Was sagt ein botanischer Garten über Menschen aus und was über die Natur?
Auf der Suche nach einer wünschenswerten Zukunft untersuchten wir mit Suzan Noesen, wie der Mensch mit der Natur, mit sich selbst und mit anderen Menschen in Beziehung steht.
In der Ausstellung trafst du auf verschiedene Bildwelten und Stimmungen. Suzan Noesens visuelle Erzählung ist eine Hin- und Herbewegung zwischen unterschiedlichen Zuständen, Perspektiven und Zeitdimensionen. Sie nutzt filmische Techniken wie Schnitt, Kameraführung, Tempo und Rhythmus gleichwertig mit künstlerischen und szenografischen Momenten. Jedes Detail ist relevant – von dem kleinsten Ausdruck der Protagonist*innen, den bespielten Orte, den Kostüme bis hin zur Gestaltung der Szenerie in der Stadtgalerie. Die Künstlerin kristallisiert mehrdeutige Stimmungen heraus.
Diese mehrdeutigen Stimmungen schaffen Atmosphären; oder ist es doch umgekehrt? Orte, Umgebungen und Räume lösen Gefühle aus. Wir nehmen die Aura eines Ortes wahr, ohne bewusst darauf zu achten.
Die unterschiedlichen Bildräume von Suzan Noesen geben auch Einblicke in mentale Zustände: Nicht greifbare Themen von innerer Auseinandersetzung und sozialen Zwischenräumen werden sichtbar.
Der Wunsch nach Nähe ist häufig mit dem Bedürfnis nach Selbstschutz verbunden. Persönliche Gefühle, Gedanken oder Erfahrungen preiszugeben, macht verletzlich. So entsteht leicht ein Dilemma zwischen gegenseitiger Annäherung und auf Abstand gehen.
Loopzones (expanded cinema installation)
Suzan Noesen spielt mit der Idee eines abstrakten, bewegten Landschaftsbildes. Textilwände, auf denen Filmsequenzen projiziert werden, sind im Raum aufgespannt.
In ihrem Experimentalfilm erzählt die Künstlerin visuell von der Begegnung eines Paares. Die zwei Naturgeister bewegen sich in einem Garten eines biologischen Instituts. Als Besucher*in bewegst du dich durch diese Landschaft und durch den Loop aus den Dynamiken der zwei Personen. Die Szene ihrer Begegnung ist ein sich wiederholender Moment. Jede Projektion ist eine eigenständige Aufnahme.
Die beiden sind in einem Versuch der Versöhnung gefangen: In einer Art Loop-Zone des immer gleichen Augenblicks. Bildhafte Erzählfragmente zeigen verschiedene Ausdrücke von Verletzlichkeit und Interpretationen des einen Moments. Das Treffen steckt für beide voller Unsicherheit. Die dargestellten Szenen zeigen die Schwierigkeiten in der Begegnung mit eigenen Gefühlen und der Außenwelt, besonders wenn der Versuch, Kontakt herzustellen, scheitert. Jede Ebene dieser Erfahrung wird durch unterschiedliche Perspektiven und Landschaftshintergründe dargestellt. In dieser Arbeit geht es um die Konstruktion von Landschaften, sowohl in Bezug auf ihre Komposition als auch auf ihre Wahrnehmung, um das Verhältnis zwischen dem Menschen und der Natur sowie zu sich selbst zu erforschen. Der Botanische Garten zeigt eine konstruierte Natur, die durch wissenschaftliche Darstellungen „natürlicher“ Landschaften geprägt ist. Diese spiegelt eine Sehnsucht nach sinnlicher Verbindung wider.
ZELTRAUM
Dieser Teil der Ausstellung kann als ein Wendepunkt dieser wahrgenommen werden: Tageslicht fällt durch die Fenster. Es gibt keine bewegten Bilder.
Seidenstoffe schaffen ein Wechselspiel aus Licht und Schatten. Du kannst die Seidenstoffe auch als Verweis auf Haut und kinematografische Lichtdiffusion lesen. Die transparenten, durchscheinenden und bemalten Seidenstoffe machen die haptische Erfahrung eines sozialen Zwischenraums möglich. Die Stoffe und „Malereien“ sind mit Pflanzenfarben eingefärbt, wodurch die Transparenz erhalten bleibt. Suzan Noesen trägt keine Farben, sondern punktuell transparentes, viskoses Material auf. So entstehen undurchsichtige Stellen, die Schatten werfen.
Der Raum untersuchte die diffuse Grenze zwischen persönlicher Wahrnehmung, der Vorstellung, wie andere einen wahrnehmen, und der Atmosphäre als eigenständige Einheit.
Die Textilinstallation wurde von Fossile Finger-Skulpturen und Holzabdrücken begleitet.
FOSSILE FINGERS
Die Fossile Fingers sind in dem Film Loopzones zu sehen. Die halbdurchsichtigen Harzformen erinnern an Finger und Zweige. Diese Formen mit kupfernen Spitzen liegen auf einer Holzplanke und werden in einer transparenten Organzasäule (Organza: Stoff) ausgestellt. Das Relief des Holzes erinnert an eine Landschaft.
Installation Innenhof MULDEN
Suzan Noesen entwickelte Mulden parallel zu den Loopzones-Filmstills. Die Fotoserie zeigt Menschen, die sich in die Natur einfügen. Natur beruhigt uns sowohl körperlich als auch geistig. Durch sie können wir den hektischen Alltag hinter uns lassen und zu uns selbst finden. Die Personen vermitteln durch ihre Nähe zur Natur eine Vorstellung von sinnlicher Intimität.


