Joni Majer in der Nahaufnahme

Die Illustratorin Joni Majer ist 1985 in Berlin geboren, sie lebt und arbeitet in Saarbrücken. Gerne kombiniert sie „... Unmöglichkeiten, um Gefühle und Zustände zu verbildlichen.“

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KUNST DIGITAL: „Nahaufnahme“ Joni Majer Eine Interview-Reihe mit Künstler*innen der Stadtgalerie Saarbrücken in Zusammenarbeit mit dem Regionalverband Saarbrücken.
Joni Majer im Interview mit Katharina Ritter, M. A.

Wo bist Du gerade? Wie meisterst Du die Krise?
Vor dem Lockdown habe ich eine sehr arbeitsintensive Phase erlebt, so konnte ich das Herunterfahren gut genießen. Ich habe das Glück in einem Atelier zu arbeiten, das ich mit nur einer anderen Person, dem Comiczeichner und Illustrator Eric Schwarz, teile. So hat sich da nicht viel verändert.

Wie gehst Du in deinem Arbeitsprozess vor?
In meiner illustrativen Arbeit, versuche ich immer die Essenz des Themas zu erfassen, das Gefühl dazu zu definieren und passend eine visuelle Vokabel zu entwickeln. Gerne kombiniere ich Unmöglichkeiten, um Gefühle und Zustände zu verbildlichen. Ich achte darauf die Texte, die ich illustriere immer eine neue Bedeutungsebene hinzuzufügen und nie das Geschriebene als Zeichnung zu wiederholen. Dabei bleibe ich möglichst reduziert in schwarz /weiß ohne Dekoration, denn Dekoration könnte die Idee kaschieren.

Jetzt im Lockdown hatte ich die Möglichkeit mich zeitweise von meiner illustrativen Arbeit zu lösen und meine Bildwelt in eine neue Dimension zu bringen, wie in dem Video zu sehen ist. Ich hatte Zeit zu spielen, ohne Druck Ideen zu verfolgen und heraus kamen die Masken.

Was ist für dich in dem Arbeitsprozess mit den Masken relevant?
Eine ganz junge Erkenntnis ist für mich eben dieses Spielen. Eine entspannte Herangehensweise, Lust am kreieren. Freie Arbeit, ohne direkten Sinn, nährt auch die Ertragsarbeit und bringt die weiter.

Hast Du eine Lieblingsarbeit von dir, oder ist es immer die aktuell entstehende?
Ich bin sehr verliebt in die Masken, gerade weil sie nicht dem entsprechen, wie ich sonst arbeite.

Generell mag ich aber besonders meine erste sehr große Arbeit, eine Twirly Hand. Sie ist sehr simpel und trotzdem höchst verwirrt, eine gute Kombination. Außerdem mag ich meine One Hand, sie ist ein Symbol der Hoffnung, des Zusammenhalts und intelligent ausgeführt.

Was ist die höchste Dringlichkeit in deiner Arbeit?
Gefühle zu vermitteln. Ich liebe es, wenn jemand meine Zeichnungen sieht und denkt: Genau so ist das Gefühl (von Hoffnung, Armut, Liebe)

Siehst Du Künstler*innen in der Pflicht, sich gesellschaftlich zu engagieren?
Selbst wenn die Arbeiten nicht immer per se politisch sind, empfinde ich es als meine Pflicht Stellung zu beziehen. Das gilt aber meines Erachtens für alle erwachsenen Menschen, nicht nur für Künstler. Ich achte darauf in meinen Illustrationen gleich viele schwarze und weiße Personen darzustellen, genauso viele Frauen, wie Männer. Auf Instagram mache ich durch Kommentare zu meinen Arbeiten meine Haltung klar. Für eine gute Sache arbeite ich auch gern pro bono, zum Beispiel für @pockosocial, die sich u.a für Umweltschutz und gegen Rassismus einsetzen. Da ist aber eindeutig noch Luft nach oben.

Worin siehst Du den größten gesellschaftlichen Beitrag künstlerischer Arbeiten?
Kunst ermöglicht einen Perspektivwechsel. Die Fähigkeit, seinen eigen Standpunkt zu verlassen, ist für ein friedliches Zusammenleben regional und weltweit das Wichtigste. Kunst, Reisen und Bildung helfen dabei. Leider haben aber nur bestimmte Gruppen von Menschen die Möglichkeit so ihren Horizont zu erweitern.

Wie wichtig ist dir in deiner Arbeit die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen?
Da ich meist bestehende Texte illustriere, ist das für mich insofern wichtig, dass ich nicht unsensible visuelle Vokabeln benutze. Zum Beispiel sollte ich nach der Ermordung von George Floyd emotionales Ersticken nicht mit einem zugeschnürten Hals illustrieren. 

Unterscheidest Du zwischen deiner Rolle als Künstler*in und als Bürger*in?
Nur insofern, dass man eventuell mehr Menschen erreicht mit einer Meinung und dass ein Werk, das eine Meinung darstellt auch nicht mehr verschwindet, wenn es einmal die Unendlichkeit des Internets erreicht hat. Dessen sollte man sich bewusst sein.

Welchen Bezug hast Du zur Region Saar-Lor-Lux? Welche Institutionen, Künstler*innen, Gruppen oder Kunst im öffentlichen Raum schätzt Du im Saarland besonders?
Ich habe hier studiert und wohne seitdem hier. Ich finde der Artwalk hat die Stadt schön bunter gemacht. Was mich da nur ärgert ist, dass das Verhältnis von männlichen und weiblichen Künstlern so gar nicht stimmt. Gebt mir eine Wand! Der automat artspace ist interessant und lebendig. Auch die Moderne Galerie und die Stadtgalerie (mit freiem Eintritt) schätze ich sehr. 

Wie sehr zeigst Du dich nach außen? Viele werden schnell unsichtbar, wenn Sie nicht konstant präsent sind...
Ich denke, dass social media accounts sehr wichtig sind, die neue reale Welt schon fast. Ich brauchte und brauche imme noch Zeit, um mich daran zu gewöhnen, da ich ein durch und durch analoger Mensch bin, auch in der Arbeit. Aber alles verändert sich. Ich habe mittlerweile Agenturen, die mich vertreten, das Pendant in der freien Kunst wäre eine Galerie. Ich habe mich festgebissen an diesen Agenturen und sehr hartnäckig über mehrere Jahre meine Arbeit präsentiert und Kontakt gehalten. Das hilft seine Arbeit zu verbessern, Alleinstellungsmerkmale zu definieren und zu entwickeln. Irgendwann haben sie mich dann unter Vertrag genommen. Jetzt kann ich gut von meiner Arbeit als Illustratorin leben.

Wie wichtig ist ein Atelier?
Das Atelier ist alles. Zur Arbeit gehen, das ist an sich schon eine Berechtigung sein Schaffen auch Arbeit zu nennen, sich ernst zu nehmen. Man braucht einen Raum, der nur dafür da ist zu kreieren, um zu Spielen, zu probieren. Und Sachen auch mal liegen zu lassen, damit sie gären können. Der Aufenthalt im Atelier ist auch eine Konditionierung. Wenn ich mit meinem Körper im Atelier bin, weiß mein Kopf: jetzt wird gearbeitet. Kunst braucht Raum.